B L A C K F E E T

Schöpfungsgeschichte

Plötzlich sahen und erkannten ihn alle Tiere der Ebenen, und alle Vögel in der Luft hörten und erkannten ihn.
Alle Dinge, die er geschaffen hatte, verstanden ihn, als er zu ihnen sprach; die Vögel, die Tiere und die Menschen.
Der Alte Mann ging umher im Süden von hier und dabei schuf er die Menschen. Er kam aus dem Süden, schritt aus
gegen Norden und erschuf Tiere und Vögel während er seines Weges ging. Er schuf die Gebirge, die Prärien, das
Gehölz und das Gesträuch zuerst.
So ging er dahin gegen Norden, schuf Dinge im Gehen, grub hier und dort die Flußläufe ein und die Wasserfälle,
strich rote Farbe da und dort auf die Erde und rückte die Welt zurecht.
Er schuf den Milch­Fluß (den Teton) und überquerte ihn, und als er müde war, stieg er einen kleinen Hügel hinauf
und legte sich hin, um auszuruhen.
Wie er nun so auf dem Rücken dalag, setzte er spielerisch Felsen dorthin, wo sein Kopf lag und wo seine Arme und
Beine ausgestreckt waren. Du kannst diese Felsen heute noch sehen. Nachdem er sich ausgeruht hatte, ging er
weiter nach Norden. Er stolperte über eine Wurzel und fiel auf die Knie. Da sagte er: "Das ist nicht recht, daß man
hier stolpert." Also schuf er zwei große Hügel, und er nannte sie "die Knie" und so werden sie bis auf den heutigen
Tag genannt. Er lief abermals weiter nach Norden und mit ein paar Steinen, die er in seiner Tasche bei sich trug,
schuf er die Sweet Grass Hills.
Der Alte Mann bedeckte die Ebenen mit Gras, damit die Tiere etwas zu fressen hätten. Er markierte ein Stück
Grund, und darauf ließ er alle Wurzeln und Beeren wachsen: die Camas, die wilden Karotten, die wilden Rüben,
die Süßwurzel, die Bitterwurzel, die Sarvisbeeren, die Bullbeeren, Kirschen, Pflaumen und Rosen. Er pflanzte
Bäume in die Erde. Er gab sie den Tieren zur Wohnung. Als er den Großhornigen mit seinem breiten Schädel schuf,
befand er sich auf den Prärien. Es war nicht so einfach, über die Prärie hin zu reisen. Es war holprig dort. Man kam
nur schlecht voran. Also nahm er das Tier bei einem der beiden Hörner, führte es hinauf ins Gebirge und ließ es
dort frei. Es sprang leichtfüßig zwischen den Felsen herum und kletterte noch auf die unwegsamsten Stellen.
Also sprach der Alte Mann: "Hier gehörst du offenbar hin, hier zwischen die Felsen im Gebirge." während er im
Gebirge war, schuf er die Antilope aus Erde. Er ließ sie frei, um zu sehen, wie es ihr ergehen werde. Er erkannte,
daß sie hier nicht leben konnte. Da trug er sie auf die Prärie und ließ sie dort springen. Da rannte sie flink und
gewandt, und er sprach: "Du gehörst hierhin. Das sieht man gleich!"
Eines Tages beschloß der Alte Mann, er werde eine Frau und ein Kind schaffen, und also formte er beide aus Ton.
Darauf sprach er zu dem Ton: "Aus dir soll ein Mensch werden." Dann deckte er ihn zu und ging fort.
Am nächsten Morgen kam er wieder zu der Stelle, nahm die Abdeckung fort und erkannte, daß sich der Ton etwas
verändert hatte. Am zweiten Morgen waren die Veränderungen noch weiter fortgeschritten, am dritten Morgen
abermals und am vierten Morgen ging er zu der Stelle und hieß die Geschöpfe aufstehen und gehen. Das taten sie.
Sie liefen hinunter zum Fluß mit ihrem Schöpfer, und er sagte ihnen, sein Name sei Na´pi, Alter Mann.
Als sie so am Fluß standen, sprach die Frau zu ihm: "Wie ist das? Werden wir immer hier leben?" Er antwortete:
"Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber das muß entschieden werden. Ich will dieses Stück Büffeldung
nehmen und es ins Wasser werfen. Wenn es nicht untergeht, sollen die Menschen vier Tage nach ihrem Tod wieder lebendig werden. Sie sollen nur vier Tage tot sein. Wenn es aber versinkt, dann sollen sie nach dem Sterben für
immer tot sein." Er warf den Dung ins Wasser und der trieb oben auf der Flut. Die Frau wandte sich um, nahm
einen Stein und sprach: "Nein, ich will diesen Stein in den Fluß werfen. Wenn er nicht versinkt, werden wir immer
leben, versinkt er aber, dann müssen die Menschen sterben, und jene, die noch am Leben sind, sollen sich sehnsuchtsvoll der Gestorbenen erinnern."
Die Frau warf des Stein ins Wasser, und er versank. "Nun" sprach der Alte Mann, "due hast gewählt. Dem menschlichen Leben wird ein Ende gesetzt sein."
Ein paar Nächte später starb der Frau das Kind und sie weinte. Sie sagte zu dem Alten Mann: "Laß uns das anders einrichten. So, wie du es erst festgelegt hast, soll es sein." Er antwortete: "Das geht jetzt nicht mehr. Was einmal so eingerichtet ist, muß so bleiben. Es kann nicht wieder lebendig werden. Die Menschen werden sterben müssen."
So kam es dazu, daß wir Menschen wurden. Er war es, der uns schuf.

Die ersten Menschen waren arm und nackt und wußten nicht, wovon leben. Der Alte Mann zeigte ihnen Wurzeln und Beeren und erklärte ihnen, daß man sie essen könne, daß man an einem bestimmten Monat des Jahres die Rinde bestimmter Bäume schälen und essen kann. Er sagte den Menschen, daß die Tiere ihnen als Nahrung dienen sollten. Er gab sie den Menschen und sprach: Dies sind eure Herden." Er sagte auch: "All diese kleinen Tiere, die in der Erde leben, nämlich Ratten, Eichhörnchen, Skunks, und Biber kann man essen. Ihr braucht euch vor ihrem Fleisch nicht zu fürchten." Er wies auch auf alle Vögel und erklärte den Menschen, daß auch ihr Fleisch eßbar sei.
Die ersten Menschen, die der Alte Mann geschaffen hatte, pflegte er durch die Wälder und Sümpfe und über die Prärien zu führen, und er zeigte ihnen die verschiedenen Pflanzen. Bei einer bestimmten Pflanze pflegte er zu sagen: "Wenn ihr die Wurzeln dieser Pflanze an dem und dem Monat des Jahres sammelt, könnt ihr damit eine bestimmte Krankheit kurieren." So lernten die Menschen, welche Kräfte in den Kräutern steckten.
Ja, in jenen Tagen gab es auch schon Büffel. Nur besaßen die Menschen noch keine Waffen. Die schwarzen Tiere mit den langen Bärten aber konnten sich nicht wehren. Einmal nun, als die Menschen umherzogen, sahen die Büffel sie, rannten ihnen nach, nahmen sie auf die Hörner, töteten und fraßen sie. Der Schöpfer der Menschen reiste zu jener Zeit gerade über Land, und da sah er nun seine Kinder tot liegen, in Stücke gerissen von den Büffeln.
Als er das sah, sprach er: "Das geht nicht so. Ich werde das ändern. Die Menschen sollen die Büffel essen, nicht umgekehrt." Er ging zu einigen von den Menschen, die übriggeblieben waren und sprach: "Warum setzt ihr euch gegen die Tiere, die Menschen töten, nicht zur Wehr?" Die Menschen erwiderten: "Was sollen wir denn machen. Wir haben keine Möglichkeit, diese Tiere zu töten. Sie haben Waffen und töten uns." Da sprach der Schöpfer: "Das läßt sich ändern. Ich will euch eine Waffe geben, um diese Tiere zu töten."
Also ging er hin, schnitt einige Zweige von den Sarvisbeeren und kratzte die Rinde ab. Dann nahm er ein großes Stück Holz, befestigte eine Sehne daran und machte einen Bogen. Und da er ja auch Herr über alle Vögel war und mit diesen verfahren konnte, wie er wollte, fing er einen, nahm die Federn von dessen Schwingen und steckte sie in das Holz.
Er steckte vier Federn entlang des Schaftes ein und probierte den Pfeil aus, stellte aber fest, daß er nicht recht flog. Er nahm diese Federn wieder ab und versuchte es mit drei Federn und stellte fest, daß es so gut war. Er brach schartige Stücke von einem Felsen ab. Er probierte und fand heraus, daß die schwarzen Feuersteine die besten Pfeilspitzen abgeben. Dann lehrte er die Menschen all dies und sprach: "Das nächste Mal, wenn ihr ausgeht, nehmt diese Dinge mit euch und benutzt sie, wie ich es euch gesagt habe und rennt nicht vor diesen Tieren davon. Wenn sie auf euch losgestürmt kommen, dann laßt sie ziemlich nahe herankommen und schießt dann die Pfeile auf sie ab, wie ich es euch gelehrt habe. Ihr werdet sehen, daß sie vor euch davonrennen oder einen Bogen um euch machen."
Nun vermehrten sich die Menschen, und eines Tages gingen drei Männer hinaus auf die Ebene, um nach dem Büffel zu sehen, aber sie hatten keine Waffen bei sich. Sie sahen die Tiere, und als die Büffel die Männer erkannten, setzten sie ihnen nach und töteten zwei von ihnen, aber einer entkam. Einen Tag danach stiegen die Menschen auf einen kleinen Hügel. Die Büffel sahen sie und sprachen untereinander: "Syah, da ist noch mehr Nahrung!" Und sie rannten auf die Menschen zu. Diesmal liefen die Menschen nicht fort. Sie begannen, auf die Büffel zu schießen mit ihren Pfeilen und den Bögen, die Na´pi ihnen gegeben hatte. Die Büffel stürzten, aber ein Mensch wurde dabei auch getötet.
Zu dieser Zeit kannten die Menschen schon Messer aus Feuerstein, und sie zerteilten damit die Kadaver der Büffel. Nun ist es nicht gesund, rohes Fleisch zu verzehren. Also sammelte der Alte Mann dürres Treibholz ein, machte Zunder daraus, und dann holte er ein Stück hartes Holz, bohrte ein Loch mit einer Pfeilspitze hinein und lehrte die Menschen, Feuer mit Feuerstöcken zu entfachen und das Fleisch der Tiere zu kochen, ehe sie es verzehren.
Sie fanden eine Art Stein in dem Land und nahmen einen härteren Stein und bearbeiteten den weichen Stein damit, höhlten ihn aus, glätteten ihn und stellten sich einen Kessel her. Und auf eben diese Weise machten sie sich auch ihre Teller.
Der Alte Mann sagte auch zu seinem Volk: "Jetzt müßt ihr aber auch schlafen und dabei Kraft schöpfen. Wenn ihr träumt, wird etwas kommen und euch helfen. Was immer dieses Tier euch sagt, ihr solltet ihm, wenn es euch im Schlaf begegnet ist gehorchen. Es wird euch führen. Wenn einer von euch Hilfe braucht, wenn ihr allein seid unterwegs und laut um Hilfe ruft, werden eure Gebete erhört werden. Vielleicht von den Adlern, vielleicht von den Büffeln oder von den Bären. Welches Tier auch immer eure Gebete erhört, ihr sollt seinem Rat folgen.
So kamen die ersten Menschen zurecht in der Welt durch die Kraft ihrer Träume.



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