In den fünfziger Jahren des 19. Jh. verkauften Santee-Sioux im heutigen Minnesota den größten Teil ihres Landes - insgesamt nahezu 24 Millionen Morgen - an die Regierung und lebten danach etwa zehn Jahre lang friedlich in zwei schmalen Reservaten am Minnesota River.
Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, erhielten sie jährlich Zahlungen von der Regierung. Mißernten führten im Winter 1861-62 fast zu einer Hungersnot. Im folgenden Sommer traf die jährliche Zahlung nicht ein, und ohne dieses Geld konnten die Indianer keine Lebensmittel kaufen. Im Juli 1862 versammelten sich etwa 5.000 hungrige Santee vor der Upper Agency ihres Reservates und baten um Lebensmittel aus den Lagerhäusern der Regierung, die ihnen auch gegeben wurden. Am 4. August kamen die Indianer jedoch zurück, umzingelten die etwa hundert zur Bewachung der Lagerhäuser abgestellten Soldaten und versorgten sich selbst mit Lebensmitteln. Wiederum kam man schließlich überein, den Santee die Lebensmittel vorzustrecken, und sie gingen in ihre Wohngebiete zurück. Diese und andere Konfrontationen bereiteten den Boden für einen kurzen, aber äußerst blutigen Konflikt, der am Beginn der fast dreißigjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Indianern und den weißen Siedlern westlich des Mississippi stand.
Einer der Anführer der Santee, Big Eagle, beschrieb die Umstände, die zum Minnesota-Aufstand führten. Es gab Unmut unter den Indianern, sagte er, weil die weißen Behörden ihnen nicht gestatten wollten, gegen ihre Feinde in den Krieg zu ziehen, und sie dazu genötigt wurden, ihr altes Land aufzugeben und als Farmer zu arbeiten. Verärgert waren sie auch über die Händler, die einen großen Teil der Gelder aus den Landverkäufen der Indianer an sich gebracht hatten und die sich auch jetzt noch die jährlichen Zahlungen an die einzelnen Stammesmitglieder größtenteils - und manchmal sogar vollständig - aneigneten, da sie den Indianern Lebensmittel auf Kredit verkauften. Es erfüllte sie mit Zorn, wie sie von vielen Weißen behandelt und ihre Frauen entehrt wurden. Es gab Entschuldigungen dafür, doch die Dakota glaubten nicht, daß es auf der Welt bessere Menschen gäbe als sie.
Unter den Sioux war eine tiefe Kluft entstanden zwischen denen, die den Weißen nacheifern wollten, und denen, die an den alten Werten festhielten. Viele machten ihren Häuptling, Little Crow, für den Verlust ihres Landes verantwortlich und verachteten die »cut hairs«, welche sich ihr Haar wie die Weißen schneiden ließen und die Hilfe der Regierung akzeptierten, um Farmer zu werden.
Als sich der Sezessionskrieg ins zweite Jahr hineinzog, sahen die Indianer, daß viele weiße Minnesota verließen, um zum Militär zu gehen. Unter den Indianern ging das Gerücht um, der Norden sei ins Hintertreffen geraten und der Süden werde den Krieg gewinnen; der Zeitpunkt schien ihnen gekommen, die weißen Siedler zu vertreiben und ihr Land zurückzugewinnen, bevor die Armee zu Hilfe kommen könnte.
Tief in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1862 wurde Häuptling Little Crow aus dem Schlaf gerissen. Man brachte ihm die Nachricht, vier junge Heißsporne hätten sich gegenseitig aufgestachelt und auf einer Farm fünf weiße Siedler, darunter zwei Frauen, getötet, um eine Mutprobe abzulegen. Da es den Indianern klar war, daß die Rache der Weißen in keinem Verhältnis zur Zahl der Getöteten stehen würde, rieten sie zu einem präventiven Rundumschlag. Little Crow, der sich der hoffnungslosen Überlegenheit der Gegner bewußt war, versuchte sie davon abzubringen: "Ihr könnt einen töten, zwei oder zehn; ja, so viele, wie der Wald dort drüben Blätter hat, und ihre Brüder werden sie nicht vermissen. Tötet einen, zwei oder zehn, und zehn mal zehn werden kommen, um euch zu töten. Zählt den ganzen Tag lang an den Fingern, und weiße Männer mit Gewehren in den Händen werden schneller kommen, als ihr zählen könnt."
Obwohl von der Sinnlosigkeit des Unterfangens überzeugt, war Little Crow schließlich bereit, zusammen mit seinem Volk den Kampf gegen die Weißen aufzunehmen. "Ta-oya-te-duta (Little Crow) ist kein Feigling," sagte er, "er wird mit euch sterben." Little Crow gab den Befehl, an eben diesem Morgen die Upper Agency anzugreifen. Indianergruppen stürmten in die Nacht, um die Siedler zu überfallen. Eines der ersten Opfer war ein Händler namens Andrew Myrick, der den Indianern gesagt hatte, sie soltten Gras fressen, als sie um Nahrungsmittel baten. Nun lag er tot auf dem Boden, den Mund vollgestopft mit Gras. "Myrick frißt selbst Gras", sagten die Indianer.
Die folgenden Tage hindurch wüteten die Santee im ganzen Territorium, sie griffen entlegene Siedlungen an, plünderten, töteten und nahmen Hunderte von Frauen und Kindern gefangen. als Alexander Ramsey, der Gouverneur von Minnesota, an Washington appelierte, Hilfe zu schicken, erklärte er: "Dieser Krieg ist nicht unser Krieg, er betrifft die ganze Nation."
Nach ihren Anfangserfolgen wendete sich das Blatt für die Indianer. Little Crow hatte Mühe, die jungen Krieger im Zaum zu halten, die sich von leichten Angriffszielen ablenken ließen und damit den Regierungssoldaten Zeit gaben, einen wirkungsvollen Widerstand zu organisieren. Der Schlüssel zum Sieg war, wie die alten Krieger wußten, die Einnahme von Fort Ridgely, weil dieses Fort das Tal des Minnesota River kontrollierte.
Zweimal versuchten die Indianer, das Fort im Sturm zu erobern, doch gelang es der Artillerie der Armee, sie abzuwehren. Die entscheidende Niederlage mußten die Santee am 23. September hinnehmen, als ein großes Kontingent unter General Henry H. Sibley seine Stellung am Wood Lake halten konnte. Danach floh Little Crow zusammen mit den anderen Führern, Medicine Bottle und Little Six, und deren Anhängern in die offene Prärie und schließlich nach Kanada.
Die Kämpfe hatten knapp sechs Wochen lang angedauert. Ungefähr 500 weiße Siedler und Soldaten waren während des Aufstands getötet worden, und wenn auch auf seiten der Indianer kaum mehr als zwanzig Opfer zu beklagen waren, so zahlten sie dennoch letztendlich einen verheerenden Preis.
Wa-kan-o-zhan-zhan (Medicine Bottle)
sieht seiner Hinrichtung entgegen, Fort Selling, Minnesota. Medicine Bottle, hier in Stunden tiefer Verzweiflung, war einer der Anführer des Aufstands und nahm an den erfolglosen Angriffen auf Fort Ridgely teil. Nachdem sie sich nach Kanada abgesetzt hatten, wurden er und Shakopee (Little Six) von den amerikanischen Behörden entführt, vor Gericht gestellt und gehängt. |
Etwa 600 indianische Kämpfer wurden gefangengenommen oder zur Aufgabe überredet, indem man ihnen Nachsicht versprach. Die Militärkommission, die über sie zu Gericht sitzen sollte, begann ihre Arbeit am 28. September. Die Fälle wurden hastig abgewickelt: pro Tag wurden bis zu vierzig Schnellverfahren durchgezogen - darunter eines, das gerade fünf Minuten dauerte. Als die Kommission ihre Arbeit am 5. November beendete, hatte sie 307 Gefangene zum Tode verurteilt. Präsident Abraham Lincoln forderte eine Revision dieser Verfahren und hob die allermeisten Todesurteile auf. Nur 39 blieben übrig, und ein Indianer wurde später noch begnadigt. Am 26. Dezember 1862 38 Männer gemeinsam auf einem Massenschafott gehängt.
Während der Kämpfe hatte Gouverneur Ramsey erklärt: "Die Sioux-Indianer von Minnesota müssen ausgerottet oder für immer aus dem Staat vertrieben werden." Nach dem Aufstand machten in panischer Angst geratene Siedler diese Drohung war; sie forderten die Deportation aller amerikanischen Ureinwohner aus ihrem Staat, ohne daran zu denken, daß viele Sioux sich geweigert hatten, an den Kämpfen teilzunehmen.
Ungefähr 1.700 Indianer, hauptsächlich Frauen und Kinder, wurden bei Fort Snelling interniert; 300 Gefangene, einschließlich jener, deren Urteile umgewandelt worden waren, wurden weiterhin in Mankato festgehalten. Nicht nur die Santee, sondern auch die Winnebago, die praktisch keine Rolle in diesem Krieg gespielt hatten, wurden schließlich aus Minnesota verbannt.
Während des strengen Winters starben viele Indianer im Gefangenenlager bei Fort Snelling. Die Überlebenden wurden unter entsetzlichen Bedingungen auf Dampfschiffen oder Güterwagen in ein unwirtschaftliches Reservat im Dakota-Territorium transportiert. Als man die Operation abgeschlossen hatte, waren mehr als 1.300 Santee-Sioux und fast 2.000 Winnebago gewaltsam aus Minnesota fortgeschafft worden. Die Santee durchlitten drei Jahre an ihrem neuen Aufenthaltsort, bevor sie in ein Santee-Reservat bei Niobrara in Nebraska verlegt wurden. Weniger als 200 der "freundlichen" Sioux bekamen die Erlaubnis, in Minnesota zu bleiben.
Im Juni 1863, als die Evakuierung beinahe abgeschlossen war, kehrte Little Crow mit einer kleinen Gruppe nach Minnesota zurück. Er wollte dort Pferde stehlen, die ihnen das Leben in der Prärie erleichtern sollten. Während er mit seinem Sohn Himbeeren pflückte, wurde er von zwei Siedlern erschossen - nicht etwa weil sie ihn erkannt hätten, sondern weil er ein Indianer war. Seine nicht identifizierte Leiche wurde nach Hutchinson gebracht, skalpiert, verstümmelt und auf den Abfallhaufen eines Schlachthauses geworfen.
Seine Identität wurde erst festgestellt, als etwa einen Monat später sein Sohn gefangengenommen wurde. Die zwei Männer, die seinen Vater erschossen hatten, erhielten eine Prämie von 75 Dollar für seinen Skalp und 500 Dollar dafür, daß sie den Santee-Häuptling getötet hatten.
Die beiden anderen Anführer des Aufstands, Little Six und Medicine Bottle, konnten sich ihrer Freiheit nur ein paar Monate länger erfreuen. Im Dezember wurden sie von einem Major der US-Armee und einem amerikanischen Zivilisten in Kanada aufgegriffen, betäubt, über die Grenze geschafft und den amerikanischen Behörden übergeben. Beide wurden vor ein Militärgericht gestellt und erhängt.
Medicin Bottle und Little Six am Galgen.
In der Zuschauermenge stehen mehrere Polizisten in Habachtstellung, während die leblosen Körper von Medicine Bottle und Little Six über der herabgefallenen Plattform des Galgens baumeln. Am Boden liegen zwei Särge für sie bereit. Während er auf den Tod wartete, soll Little Six in der Ferne das schrille Pfeifen einer Lokomotive gehört und gesagt haben: "Der weiße Mann kommt herein, und der Indianer geht hinaus." |