(1840 - 21. September 1904) |
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Die mächtigen Gebirge, Schluchten und grasbewachsenen Ebenen
des Hochplateaus, wo die heutigen Staaten Idaho, Washington und Oregon aufeinandertreffen, waren die
Heimat der Nee Me Poo. Die frühen frankokanadischen Pelzjäger gaben ihnen den Namen Nez Percé, weil sie glaubten, einige von ihnen trügen als Schmuck Muschelplättchen, die sie sich durch die
Nasenscheidewand steckten.
Die Nez Percé hatten immer freundschaflichen Umgang mit den Amerikanern gepflegt. 1805 hatten sie die Mitglieder der Lewis und Clark-Expedition gerettet, sie sont möglicherweise in den Bergen von Idaho verhungert wären. Später hatten sie sich mit Pelzhändlern angefreundet, Missionare zu sich kommen lassen (viele waren Christen geworden) und amerikanischen Armeen in ihren Kriegen gegen andere Indianernationen im Nordwesten geholfen.
Manchmal schlossen sich mehrere Dörfer der Nee Me Poo zu Gruppen mit einem einzigen Anführer und einem Stammesrat zusammen, dessen Mitglieder aufgrund ihrer Weisheit oder besonderer Fähigkeiten Respekt genossen. Es gab jedoch keinen politischen Führer und keine Organisation, die den gesamten Stamm als eine politische Einheit vertreten hätte. Jedes Dorf beziehungsweise jeder Verband von Dörfern war unabhängig und bestimmte über sich selbst. Die Menschen ernährten sich vorwiegend von Lachs - die Dörfer lagen meist bei guten Fischgründen -, außerdem machten sie je nach Jahreszeit Jagd auf Rotwild, Wapitis, Bären und Bergschafe und sammelten Wurzeln und wilde Früchte.
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts Pferde bei ihnen eingeführt worden waren, hatten sie sich zu
ausgezeichneten Reitern entwickelt, und einige Gruppen ritten regelmäßig über die Berge nach Osten, wo sie
sich mit den Flathead, Crow und anderen bisonjagenden Stämmen zusammentaten. Durch diese Kontakte eigneten
sie sich viele Aspekte der Kultur der Prärieindianer an, so daß es in ihrer ursprünglich auf dem Fischfang
beruhenden Kultur dann auch das Tipi aus Tierhäuten und das Travois gab.
1860 drang ein Trupp Goldsucher in die Reservation der Nez Percé ein, die die Regierung in einem Vertrag fünf Jahre zuvor als Indianerland zu schützen gelobt hatte. Als die Männer fündig wurden, strömten Tausende von Goldschürfern in die Reservation und errichteten dort feste weiße Siedlungen wie etwa das heutige Lewiston in Idaho. Da die Goldgräber darauf drängten, die Indianer aus den Fundgebieten zu entfernen, riefen Regierungsbeauftragte 1863 alle Nez Percé-Gruppen zusammen und verlangten, sie müßten knapp 25.000 Quadratkilometer ihres Landes aufgeben und in eine neue Reservation umziehen, die nur noch ein Zehntel der bisherigen Größe hatte und zu der bereits die Gebiete einiger Nez Percé-Gruppen gehörten, etwa das Land von Chief Lawyer, einem willfährigen Freund Washingtons.
Die Zwangsumsiedlung betraf auch die Wellamotkin-Gruppe in dem abgelegenen Wallowa-Land im Nordosten Oregons, deren Häuptling Tuekakas hieß, ein sanfter, älterer Mann, der sich 1839 als der erste von zwei Nez Percé zum Christentum bekannt und von den Missionaren den Namen Joseph erhielt.
Tuekakas und mehrere andere Häuptlinge, die ihr Land aufgeben sollten, weigerten sich, den Vertrag zu
unterzeichnen, und führten ihre Gruppen unverrichteter Dinge nach Hause. sobald sie abgezogen waren, bedrängte und bestachen die Regierungsbeauftragten Lawyer und die anderen verbliebenen Häuptlinge und brachten sie dazu, den Vertrag im Namen der ganzen Nation zu unterschreiben - obwohl sie den Stammessitten zufolge gar nicht das Recht dazu besaßen. Die Unterhändler berichteten dem Bundesbeauftragten f¨r Indianerangelegenheiten in Washington stolz, sie hätten das gesamte von ihnen eingeforderte Land von den Nez Percé bekommen, und zwar "zu einem Preis von nicht mehr als acht Cent pro Morgen".
Als Tuekakas von dem Betrug erfuhr, erklärte er wütend, Lawyer habe kein Recht, im Namen der Wallowa-Gruppe etwas zu unternehmen; er würde sein Land nie hergeben. Dann warf er seine Bibel fort und kehrte zur Religion seines Volkes zurück. Dennoch ging die Regierung davon aus, daß das Wallowa-Land von Oregon nun von Weißen besiedelt werden durfte; aber da kein Gold dort gefunden wurde und weil das Gebiet von Canyons umschlossen war und Familien mit Planwagen und Vieh es nur schlecht erreichen konnten, wurden mehrere Jahre lang keine Besiedlungsversuche unternommen - bis 1871.
In diesem Jahr rief Tuekakas, der mittlerweile erblindet war und fühlte, daß sein Tod nahte, seinen einunddreißigjährigen Sohn, der bei den Weißen als Young Joseph bekannt war, zu sich und erzählte ihm von seiner Heimat Wallowa; seine Worte wurden später von Young Joseph wiedergegeben:
Mein Sohn, mein Körper kehrt bald zu meiner Mutter Erde zurück, und mein Geist wird sehr baldDann fügte Young Joseph - der den Weißen bald als Chief Joseph bekannt werden sollte - hinzu:
den Großen Häuptling der Geister sehen. Wenn ich gegangen bin, dann denke an dein Land.
Du bist der Häuptling dieser Menschen. Sie schauen auf dich, damit du ihnen den Weg weist.
Vergiß nie, daß dein Vater sein Land nie verkauft hat. Wann immer du aufgeforderst wirst, einen
Vertrag zu unterschreiben, mit dem du deine Heimat verkaufst, mußt du dir die Ohren zuhalten.
In einigen Jahren werdet ihr von Weißen umgeben sein. Sie haben ihre Augen auf dieses Land
geworfen. Mein Sohn, vergiß nie meiner letzten Worte. Dieses Land birgt die Leiche deines Vaters.
Verkaufe nie die Knochen deines Vaters und deiner Mutter.
Ich begrub ihn in dem schönen Tal, wo das Wasser in Windungen fließt. Ich liebe dieses Stück LandAls immer mehr weiße Siedler Häuser, Ranches und Siedlungen im Tal errichteten, übernahm Young Joseph die Führung der Wellamotkin-Gruppe und widersetzte sich sechs Jahre lang erfolgreich den Versuchen, die Nez Percé auf ihrer Heimat zu vertreiben und in kleine neue Reservationen in Idaho zu zwingen.
mehr als die ganze restliche Welt. Ein Mensch, der das Grab seines Vaters nicht liebt, ist schlimmer
als ein wildes Tier.
Weitere Treffen folgten, bei denen Josepf nicht nur sein Geschick im Verhandeln bewies, sondern auch seine warme, verständnisvolle Herzlichkeit. Zwar erklärte er einerseits immer wieder, daß das Land von Wallowa nach wie vor seinem Volk gehörte, aber er verstand auch das Dilemma der Weißen, die glaubten, die Regierung habe das Gebiet rechtmäßig erworben und für Siedler zugänglich gemacht.
In der Hoffnung auf eine friedliche Lösung befreundete er sich mit vielen der weißen Siedler und gewann auch die Sympathie von General Oliver O. Howard, dem Kommandanten der Soldaten, die von der Regierung geschickt worden waren, um Feindseligkeiten zu verhindern und das Problem zu lösen.
1877 erkannte Howard, daß die einzige annehmbare politische Lösung für die Regierung darin bestand, alle Nez Percé, die noch in ihrm Land wohnten, einschließlich Josephs und seines Stammes, zu zwingen, es zu verkaufen und sofort in die Reservation zu ziehen. Bei einem Treffen in Lapwai in der Reservation, bei dem den quot;Nichtvertrags-Gruppen" - jene, die den Vertrag von 1863 nicht unterzeichnet hatten - dieses Ultimatum gestellt wurde, schlugen die Gemüter hohe Wellen.
Nachdem Toohoolhoolzote, ein ältere Häuptling und Führer der traditionellen indianischen Dreamer-Religion, die Nez Percé zum Widerstand aufgerufen hatte, erteilte Howard ihm Redeverbot. Wütend entgegnete Toohoolhoolzote:
Wer bist du, daß du uns aufforderst zu sprechen und mir dann sagst, daß ich nicht sprechen darf?Verärgert ließ Howard Toohoolhoolzote ins Wachhaus bringen. Joseph wollte einen Krieg, den die Indianer seiner Ansicht nach nicht gewinnen konnten, unbedingt verhindern und erklärte sich widerwillig bereit, seine Heimat aufzugeben und sein Volk in die Reservation zu bringen.
Bist du der Schöpfer? Hast du die Welt erschaffen? Hast du die Flüsse fließen lassen? Hast du
das Gras wachsen lassen? Hast du all diese Dinge gemacht, daß du zu uns sprechen kannst, als
wären wir kleine Jungen?
Sagt General Howard, ich kenne sein Herz. Was er mir gesagt hat, habe ich in meinem Herzen bewahrt.
Ich bin müde vom Kämpfen. Unsere Häuptlinge sind tot. Looking Glass ist tot. Toohoolhoolzote ist tot.
Die alten Männer sind alle tot. Jetzt sagen die jungen Männer "ja" oder "nein".
Der Anführer der jungen Männer (Ollokot) ist tot. Es ist kalt, und wir haben keine Decken. Die kleinen
Kinder erfrieren. Einige meiner Leute sind in die Berge geflohen; sie haben keine Decken und nichts zu
essen. Niemand weiß wo sie sind - vielleicht erfrieren sie. Ich möchte Zeit haben, nach meinen Kindern
zu suchen und zu sehen, wie viele ich finden kann. Vielleicht finde ich sie unter den Toten.
Hört mich an, meine Häuptlinge! Ich bin müde. Mein Herz ist krank und traurig.
Von dort, wo die Sonne jetzt steht, werde ich nie mehr kämpfen.
In der folgenden Nacht entkamen White Bird und einige andere im Schutz der Dunkelheit durch die Linien der Armee und flohen über die Grenze nach Kanada, wo sie sich Sitting Bull anschlossen. Sie glaubten, daß die Armee alle, die sich ergaben, hängen oder schwer bestrafen würden. Joseph hingegen behauptete, daß Colonel Miles ihm versprochen habe, die Nez Percé dürften in ihr Land im Nordwesten zurückkehren. Beide Meinungen erwiesen sich als falsch. Nach Josephs Kapitulation wurden die Indianer nach S¨den in ein malariaverseuchtes Tiefland in der Nähe von Fort Leavenworth im Osten Kansas gebracht, und von dort zu einer heißen, von Epidemien heimgesuchten Reservation im Indian Territory, Oklahoma.
Vom Exil aus setzte sich Joseph unermüdlich für sein Volk ein und gewann die Unterstützung einflußreicher reformer und Menschenrechtler im Osten und Mittleren Westen, die sich um Erlaubnis für die Nez Percé bemühten, in den kühlen, bergigen Nordwesten zurückzukehren. Mit ihrer Hilfe konnte Joseph 1879 nach Washington reisen, um Präsident Hayes und anderen Regierungsbeamten persönlich sein Anliegen vortragen.
Nach acht langen Jahren und einer massiven Kampagne der Humanitarier im Osten durfte Joseph und die anderen Exilanten 1885 in den Nordwesten zurückkehren. Doch in Idaho hielten die Siedler und Politiker die 150 überlebenden Nez Percé noch immer für "gefährliche Unruhestifter", "Verbrecher" und "Mörder" und drohten Chief Joseph sogar mit dem Tod. Da seine Gruppe sich weder den anderen Nez Percé in der Reservation in Idaho anschließen noch in ihre Heimat im Wallowa Valley, Oregon, zurückkehren durfte, wurde sie mit Militärbegleitung zur Colville-Reservation im Washington Territory gebracht, wo sie unter Indianern leben mußten, die keine Nez Percé waren.
Dort starb Chief Joseph im Jahr 1904 an "gebrochenem Herzen" und dort leben die Nachfahren seiner Gruppe noch heute, noch immer im Exil, ganz in der Nähe seiner Grabstätte.