1999 feierte die Behörde ihren 175. Geburtstag. Sie ist damit um 25 Jahre älter als das Innenministerium, dem sie untersteht. Wie jede langlebige Einrichtung der öffentlichen Verwaltung ist sie in mancher Hinsicht unabhängig vom politischen Tagesgeschäft: Präsidenten, Minister und politische Beamte kommen und gehen, verkünden neue Visionen und versprechen Reformen. Die mit der Praxis vertrauten Mitarbeiter wissen es besser, und vieles bleibt so, wie es immer schon gewesen ist. Die Rede ist hier vom Bureau of Indian Affairs (BIA), der Indianerbehörde der USA.
Gegründed wurde sie 1825 als Einrichtung des Kriegsministerium - immerhin hatten an der westlichen Grenze die Soldaten die meisten Kontakte mit den Indianern. Aber die Gleichsetzung von "indianischen Angelegenheiten" und Krieg machte auf die Betroffenen keinen guten Eindruck, und als 1849 ein eigenständiges Innenministerium gegründet wurde, unterstellte man ihm auch die Indianerbehörde. Das neue Ministerium war auch für die öffentlichen Ländereien zuständig, und da schien die Verwaltung der Reservationen ganz gut dazzu zu passen. Langfristig führte die Doppelaufgabe der Treuhandverwaltung indigenen Landes und der Wahrung des öffentlichen Wohls der Bürger der USA immer wieder zu Interessenkonflikten, bei denen die Indianer zumeist den Kürzeren zogen. Das Kriegsministerium war übrigens mit dem Verlust der Zuständigkeit für Indianerfragen ganz und gar nicht einverstanden; denn es war immer noch die Armee, die auf Indianerland für Ordnung sorgen musste, wo die von der Regierung eingesetzten Agenten zwar erhebliche Befugnisse besaßen, aber ohne Unterstützung der Streitkräfte nur wenige davon umsetzen konnten.
Weit weg von Washington standen die an der "Zivilisierungsfront" aktiven, aber als Beamte nur schlecht besoldeten Agenten unter recht lockerer Aufsicht - ideale Voraussetzungen für das Gedeihen von Misswirtschaft und Korruption. Güter, die den Stämmen vertraglich zustanden, wurden oft gegen minderwertige Waren ausgetauscht oder gelangten gar nicht in deren Besitz. Weil man sich in solchen Positionen trefflich bereichern konnte, stellten sie beliebte Pfründe dar, die Politiker gerne an ihre Anhänger vergaben. Viele der Agenten waren wohl korrekte und verantwortungsbewusste Staatsdiener, die den Auftrag zur "Zivilisierung" der Indianer ernst nahmen, aber schwarze Schafe prägten das Bild der Behörde in der Öffentlichkeit.
Besonders arg war es unter Präsident Ulysses S. Grant (1822-1885, Amtszeit 1869-1877), dem ehemaligen Bürgerkriegsgeneral, dessen "Friedenspolitik" unter anderem darin bestand, die Reservationen jeweils einzelnen christlichen Konfessionen als Missionsfeld zuzuweisen, wobei der Regierungsagent derselben Konfession angehörte. Diese Maßnahme verringerte die Unabhängigkeit der Agenten und beeinträchtigte damit die Wirksamkeit der Kontrollen gegenüber Missbrauch erheblich. Gleichzeitig ernannte Grant mit seinem ehemaligen Adjutanten, dem Seneca Ely S. Parker (1828-1895), den ersten Indianer zum Leiter der Indianerbehörde. So groß war die Unzufriedenheit mit dessen Amtseinführung, dass es fast hundert Jahre dauerte, bis 1965 wieder ein Indianer in diese Position berufen wurde. Seither ist die Stelle allerdings fest in indianischer Hand.
Besetzung des Bureau of Indian Affairs, Washington, DC (1972)
Nach dem Vorbild des "Poor People´s March" der schwarzen Bürgerrechtsbewegung organisierte eine Koalition indianischer Verbände 1972 den "Trail of Broken Treaties", der von der Westküste zu einer Großveranstaltung in Washington führte. Da die Quartierbeschaffung nicht klappte, besetzten die Demonstranten kurzerhand das ungeliebte Indianerbüro. Nach einwöchigem Belagerungszustand zogen die Besetzer unter Mitnahme zahlreicher Dokumente wieder ab. Das Indianerbüro überstand auch diese Krise weitgehend unreformiert. |
Eingeborene Mitarbeiter im Indianerdienst waren zu Grants Zeiten noch so gut wie undenkbar. Das änderte sich zu Zeiten der Reformpolitik in den dreißiger Jahren, als nicht nur der Aufbau von teilautonomen Stammesverwaltungen für indigene Arbeitsplätze in den Reservationen sorgte, sondern auch im BIA Indianer zunehmend Anstellung fanden. Seit 1972 wurde ihnen sogar Vorrang bei Besetzungen und Beförderungen eingeräumt, und heute stellen sie die große Mehrheit der Bediensteten. Wenig später wurde als Reaktion auf die militanten Proteste gegen Washingtons Indianerpolitik der Leiter des BIA in den Rang eines stellvertretenden Innenministers erhoben.
Im Zuge des Ausbaus der Stammesselbstverwaltung, der allerdings allzu oft von Mittelkürzungen begleitet war, verlor die Indianerbehörde an Macht und entwickelte sich in Richtung auf eine Dienstleistungsbehörde für die Stämme. An eine manchmal geforderte Abschaffung ist so lange nicht zu denken, solange es in den USA indigene Völker mit einer besonderen Rechtsstellung gibt.