Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg


G. Washington
Indianer von den Stämmen der Oneida
und Tuscarora halfen Washingtons
Truppen bei Valley Forge. Später
schickte er eine Armee gegen die
probritischen Irokesen und ließ
ihr Land verwüsten.

Irokesen vor der Independence Hall, Philadelphia Als die Spannungen zwischen den Kolonien und Großbritannien ihren Höhepunkt erreichten, drohten auch die Kämpfe mit den Indianern an der Grenze zu einem Teil der neuen Auseinandersetzungen innerhalb der Weißen zu werden. Die Konföderation der Haudenosaunee und die von ihr abhängigen Nationen im Westen - die Delaware und Shawnee - wollten in diesen Kampf nicht hineingezogen werden. Als Cornstalk im Herbst 1775 mit anderen bedeutenden Häuptlingen nach Pittsburgh reiste, um sich dort mit den Amerikanern zu treffen, überbrachte er den Siedlungen eine Botschaft des Friedens und der Freundschaft von seiner Schwester und seiner Clan-Mutter. Die beiden Frauen spielten zusammen mit den anderen Clan-Müttern der Shawnee eine große Rolle bei den wichtigen Entscheidungen des Volkes, auch jenen über Krieg und Frieden.
Bei der Konferenz forderten beide Seiten aus unterschiedlichen Gründen die Neutralität der indianischen Nationen. Die sich gerade erst bildende amerikanische Regierung erkannte, daß sie nicht an verschiedenen Fronten gegen Briten und Indianer kämpfen und gewinnen konnte. Und die indianischen Führer wußten mittlerweile aus Erfahrung, daß letztlich ihre eigenen Völker am meisten litten, wenn sie sich in die Konflikte der Weißen hineinziehen ließen. Die Konferenz schloß mit der Versicherung der Amerikaner, daß die Grenzen und die Neutralität der Indianer respektiert und keine Anstrengungen unternommen würden, Indianer zum Armeedienst heranzuziehen.

Map Im Mai 1776 reiste eine Delegation der Haudenosaunee von Albany nach Philadelphia, wo sie einen Monat lang in der Independence Hall über dem Raum wohnte, in dem der Continental Congress tagte. Die Briten versuchten, die Stämme der Irokesen zur Aufgabe der Neutralität zu bewegen und sich gegen die Kolonien auf die Seite der Engländer zu stellen. Darüber war Washington besorgt, und trotz der in Pittsburgh getroffenen Übereinkunft und der Bemühungen der amerikanischen Indianerbeauftragten und der meisten Delegierten, die Neutralität des Bundes zu wahren, drängten Washington und andere Führer der Kolonien darauf, die aktive Unterstützung der Irokesen zu gewinnen, bevor die Engländer es taten.
"Meiner Meinung nach", argumentierte Washington, "wird es unmöglich sein, die Indianer neutral zu lassen... und ich es dem Congress anheim zu bedenken, ob es nicht das Beste wäre, sie sofort auf unsere Seite zu ziehen". Washington konnte sich durchsetzen. Ohne die irokesische Delegation, die nie darüber informiert wurde, was direkt unter ihrem Quartier beschlossen wurde, in Kenntnis zu setzen, verabschiedete der Continental Congress eine Resolution, die Washington autorisierte, für die amerikanische Armee ein indianisches Kontingent zu rekrutieren. Diese Resolution, ein eklatanter Bruch des Versprechens, das den Stämmen erst im vorhergehenden Herbst gegeben worden war, ignorierte die Souveränität des Rates der Haudenosaunee und negierte die sorgfältige Diplomatie, der andere sich monatelang verpflichtet gefühlt hatten.
George Morgan, den Verhandlungsführer der Amerikaner in Pittsburg, beunruhigte diese Neuigkeit sehr. "Nach meinem Dafürhalten kann das zu Feindseligkeiten gegen unsere Siedler an der Grenze führen, deren Schaden unendlich größer werden kann als der Nutzen, den wir vom Dienst einiger Indianer in der amerikanischen Armee erwarten können", meinte er. Allerdings unterminierte nicht nur der Continental Congress die diplomatischen Anstrengungen der amerikanischen Agenten - es gab auch innerhalb des Irokesenbundes Kräfte, die auf eine Beendigung der Neutralität der Haudenosaunee drängten.

Theyendanega Zu Beginn des kritischen Sommers 1776 kehrte der Mohawk-Häuptling Theyendanega, bei den Weißen bekannt als Joseph Brant, von einem Besuch in Englang zurück. Brant, dessen Schwester Molly mit dem britischen Indianerbeauftragten Sir William Johnson verheiratet war, war der Sohn einer prominenten Mohawk-Familie, die seit langem enge Beziehungen mit den Briten pflegte. Er hatte an weißen Schulen eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten und war mit vierunddreißig Jahren ein charismatischer indianischer Führer.
Brant trat mit aller Leidenschaft für die Briten ein und bereiste die Sechs Nationen mit einer Botschaft, die dem Neutralitätsbeschluß des Rates der Haudenosaunee entgegenstand. Er argumentierte, daß die rebellischen Kolonien aggressiv und expansiv seien, und behauptete, im Falle ihres Sieges würden sie die Indianer überrennen und den ganzen Kontinent dominieren. Die einzige Hoffnung auf Souveränität und Überleben der Irokesen bestehe darin, auf seiten der Krone zu kämpfen.
Die Oneida und Tuscarora sprachen sich jedoch für die andere Seite aus. Sie standen stark unter dem Einfluß antibritischer Missionare aus den Kolonien, entfernten sich zusehends von ihrer traditionellen Kultur und Gesellschaftsform und befürworteten eine Allianz mit den Amerikanern. (Im kalten Winter 1777/78 stellten die beiden Stämme klar, wo ihre Sympathien lagen, als sie Washingtons hungernden und frierenden Truppen bei Valley Forge lebensrettende Decken und Mais brachten.) Die offene Ablehnung der Neutralität des Rates gefährdete die durch das Große Gesetz verfügte Einigkeit, und damit drohte dem Bund ein Bürgerkrieg.
Im Januar 1777 wurde Onondaga, der Regierungssitz der Haudenosaunee, von einer Epidemie heimgesucht. Bei den Behörden der neuen Vereinigten Staaten traf eine Nachricht ein:

Das war ein schwerer Schlag für die Haudenosaunee. Bis die Trauerrituale vorüber waren, konnten keine politischen Entscheidungen getroffen werden; doch im Chaos und der Ungewißheit des Krieges konnten die Rituale nicht stattfinden. "Die Zeiten haben sich für uns Indianer verändert", erklärte ein Botschafter der Onondaga später, als der Bund bereits am Zerfallen war, bei einem Treffen mit dem Marquis de Lafayette. "Früher wurden die Krieger von der Weisheit der Häuptlinge geleitet, aber jetzt handeln sie nach eigenem Gutdünken und treffen ihre Entscheidungen, ohne die Häuptlinge zu Rate zu ziehen. Wenn wir den Frieden wünschen, sie abder den Krieg wollen, Brüder, dann müssen sie die Konsequenzen tragen ... sie haben unser Ratsfeuer schon lange verlassen."

Die Amerikaner wußten so gut wie die Briten, daß die Kämpfer des Bundes gegebenenfalls über Sieg oder Niederlage entscheiden konnten. Beide Seiten versuchten nach Kräften, die geschwächte indianische Konföderation für sich zu nutzen. Die Briten drohten den Irokesen, sie würden ihr Land verlieren, wenn sie nicht gegen die Amerikaner kämpften. Unter Umgehung des Großen Rates versammelten sich im Frühsommer 1777 die Seneca und andere irokesische Völker (jedoch ohne die Oneida und Tuscarora) auf Einladung der Briten in Oswego, um zu beschließen, ob sie sich den englischen Streitkräften anschließen sollten.
Blacksnake, ein großer, schlanker, junger Seneca-Krieger, der sowohl gute Kriegsführung als auch geschickte Diplomatie zu schätzen wußte, verfolgte aufmerksam Joseph Brants Ausführungen für eine Allianz mit den Briten. "Brant trat nach vorn", erklärte Blacksnake Jahre später in einem Interview, "und sagte, wenn wir für die Briten nichts unternähmen ... würde es für uns keinen Frieden geben. Unsere Kehlen würden entweder von den Rotröcken oder von Amerika durchgeschnitten werden ... "Deshalb sage ich"", zitierte er Brant, ""daß wir uns dem Vater anschließen sollten ... das ist unsere einzige Möglichkeit.""

Cornplanter Blacksnakes Onkel Cornplanter, der geachtete Kriegshäuptling der Seneca, sprach sich gegen Brants Vorschlag aus. Cornplanter war ein Vater und Ehemann, der seine Familie gut durch Jagd und Handel versorgte. Er hatte im Französisch-Indianischen Krieg gekämpft und war an allen kritischen Ratsentscheidungen jener Zeit beteiligt gewesen, und aus dieser Erfahrung heraus wandte er sich gegen jegliche Beteiligung an einem Streit der Weißen. "Krieg ist Krieg", erinnerte er seine Zuhörer. "Tod ist Tod ... Amerika sagt, wir sollen unsere Hand gegen keine Partei erheben - deshalb schlage ich vor, daß wir noch abwarten und uns weitere Konsultationen der beiden Seiten anhören." Daraufhin verfolgten Blacksnake und die anderen in ungläubigem Staunen, wie Brant zornig aufstand, Cornplanter zu schweigen befahl und ihn als einen Feigling bezeichnete.
Am nächsten Tag kam die hauptsächlich von Mohawk und Seneca besuchte Versammlung zu dem Schluß, für die Engländer zu kämpfen. Die Teilnehmer hatten mit Zorn darauf reagiert, daß auch sie möglicherweise als Feiglinge verschrien werden könnten - außerdem waren sie von den Briten in der Hoffnung, sie in betrunkenem Zustand leichter beinflussen zu können, mit Rum versorgt worden. Cornplanter akzeptierte widerstrebend den Willen der Mehrheit und rief die Krieger zur Einheit auf. Damit war der Krieg entlang der gesamten Grenze zwischen den Kolonien und dem Indianerland entfacht und breitete sich nach Westen zu den Handelszentren im Illinois-Gebiet und nach Süden in die Gebiete der Cherokee, Chickamauga und Creek im heutigen Tennessee und Alabama aus.

Im Gegensatz zu dem Seneca-Kriegshäuptling Cornplanter glaubte der Shawnee-Führer Cornstalk noch nicht, daß die Indianer an den Kämpfen teilnehmen mußten. Um seinem Volk zu ersparen, in die Konflikte verstrickt zu werden, unternahm er einen kühnen Versuch und ging zusammen mit einem weiteren Häuptling der Shawnee zu einer Friedensmission zum Fort der Amerikaner bei Point Pleasant, wo Cornstalk 1774 von Lord Dunmore besiegt worden war. Doch die Amerikaner hielten die beiden noch immer für Feinde der Kolonisten, nahmen sie gefangen und bedrohten sie mit dem Tod. "Ich kann nur einmal sterben", sagte Cornstalk zu ihnen, "mir ist es gleichgültig, ob ich jetzt sterbe oder später."
Als Cornstalks Sohn, besorgt über die Verhaftung seines Vaters, zum fort eilte, wurde auch er gefangengenommen. Am nächsten Tag kam eine Kompanie Soldaten in das Gefängnis und erschoß Cornstalk und seinen Sohn. Als der andere Shawnee durch den Kamin zu entkommen versuchte, zogen ihn die Soldaten herunter und ermordeten ihn mit Äxten. Die Shawnee-Nation gab darauf ihren Wunsch nach Frieden auf und schloß sich den Briten an.

Zwischenzeitlich wurden am 6. August 1777 am Oriskany Creek im Mohawk Valley im heutigen Staat New York achthundert amerikanische Milizionäre und etwa sechzig ihrer Verbündeten vom Stamm der Oneida von einer Armee aus englischen Truppen, Tory-Einheiten und über vierhundert irokesischen Kriegern unter Führung von Joseph Brant überfallen. Vom Standpunkt der Irokesen aus betrachtet war diese Schlacht der Beginn eines tragischen Bürgerkrieges unter den einst vereinten Haudenosaunee.
Im weiteren Verlauf der Revolution der Kolonisten fügten die Indianer den Amerikanern schwere Verluste zu, indem sie wirtschaftliche und militärische Ressourcen zerstörten und die Grenzdörfer demoralisierten. General Washington schickte eine Armee gegen die einzige irokesische Nation, die offiziell noch immer der Neutralität verpflichtet war - die Onondaga. Nachdem die Amerikaner ihre Hauptstadt geplündert und ihre Frauen gefangengenommen hatten, gaben auch viele der Onondaga die Neutralität zugunsten der Engländer auf.
Da die proenglischen Irokesen unter der Führung von Brant und britischen Offizieren nach wie vor Siedlungen in den Grenzgebieten brandschatzten und terrorisierten, schickte Washington im August 1779 Generalmajor John Sullivan mit etwa dreitausend Mann in das Land der Haudenosaunee. Die Armee verbreitete Tod und Zerstörung im Gebiet der Sechs Nationen; sie setzte Dörfer und Ernten in Brand und löste einen Strom von Flüchtlingen aus. Sullivans Offiziere und Soldaten schrieben in ehrfurchtsvollem Staunen über die Orte, die sie zerstörten:

Von den mehr als dreißig bedeutenden Dörfern der Seneca, Cayuga, Onondaga und Mohawk überstanden nur zwei größere Orte der Seneca unversehrt den Feldzug. Als Rache für ihre Allianz mit den Amerikanern verbrannte der Mohawk-Führer Joseph Brant die Dörfer der Oneida und Tuscarora.

Ende des Krieges Als die Zerstörungen ein Ende fanden und die Soldaten zurückgerufen wurden, hatte der Herbst bereits begonnen, und somit blieb keine Zeit mehr, die verlorenen Ernten zu ersetzen. Mit Beginn der kalten Jahreszeit spitzte sich die Katastrophe noch zu. Es war der kälteste Winter seit Menschengedenken; der Schnee lag fast zwei Meter hoch. Viele Irokesen erfroren, verhungerten oder starben an Krankheiten.
Der Krieg zog sich noch bis 1783 hin, als die Briten kapitulierten und die Vereinigten Staaten von Amerika anerkannten. Wie Cornplanter und die anderen Häuptlinge, die ursprünglich auf Neutralität drängten, gesagt hatte, brachte der Konflikt den indianischen Nationen keinen Vorteil, aber um so mehr Nachteile. Von den Briten im Stich gelassen und von den siegreichen Amerikanern aus ihrer Heimat in New York vertrieben, wanderten Joseph Brant und seine Mohawk zusammen mit anderen proenglischen Irokesen, Tutelo und kleineren Gruppen von Flüchtlingen nach Kanada ab, wo ihre Nachkommen noch heute leben. Jenen, die im Land der Haudenosaunee blieben, erging es kaum besser. Nach dem Krieg schrumpfte ihr Land Stück um Stück durch betrügerische Spekulanten, oder es wurde ihnen genommen und an Veteranen von George Washingtons Armee verteilt für die Dienste, die sie im Freiheitskampf der weißen Bevölkerung für die neue Nation errungen hatten.

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